Wie sicher ist Verschlüsselung noch?

Verschlüsselung ist heute allgegenwärtig – vom Messenger auf Deinem Smartphone bis zur schützenden Datei- oder Festplattenverschlüsselung auf Deinem PC. Vielleicht hast Du Begriffe gehört wie „AES-256“ oder „militärisch sicher“ und fragst Dich, was dahinter steckt und wie unknackbar solche Systeme wirklich sind. In diesem Ratgeber lernst Du Schritt für Schritt alles Wichtige über die Sicherheit von Verschlüsselung. Wir beginnen bei den Grundlagen für Einsteiger, vergleichen symmetrische und asymmetrische Verfahren und stellen moderne Algorithmen wie AES, RSA und ECC vor. Anschließend beleuchten wir, wie sicher AES-256 tatsächlich ist – in Theorie und Praxis. Du erfährst, welche Rolle Zufallszahlen spielen und warum manipulierte Zufallszahlengeneratoren ein enormes Risiko darstellen. Wir sprechen über echte Fälle von Backdoors (Hintertüren) in Krypto-Systemen – was Mythos, was Realität ist – und über Risiken, die selbst starke Verschlüsselung nicht abdecken kann (z.B. schwache Passwörter oder Social Engineering). Natürlich bekommst Du auch praktische Tipps für den Alltag: Wie Du Verschlüsselung richtig nutzt, worauf Du bei Tools achten solltest und Empfehlungen für bewährte Programme (etwa VeraCrypt, Signal).
Bevor wir einsteigen, lass Dir eines gesagt sein: Starke Verschlüsselung ist kein Hexenwerk – wenn man sie richtig anwendet, ist sie eines der mächtigsten Werkzeuge, um Daten vor neugierigen Blicken zu schützen. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) betont, dass Verschlüsselung „die beste uns zur Verfügung stehende Technologie zum Schutz unserer digitalen Sicherheit“ darstellt. In diesem Sinne – legen wir los und schauen uns zunächst die Grundlagen an.
1. Grundlagen der Verschlüsselung
Im Kern bedeutet Verschlüsselung, Informationen so zu verändern, dass sie ohne ein bestimmtes Geheimnis (einen Schlüssel) nicht mehr verständlich sind. Nur wer den richtigen Schlüssel besitzt, kann die Chiffre – also den unlesbar gemachten Text – wieder in den ursprünglichen Klartext zurückverwandeln. Man spricht dabei auch von Kryptografie, der Kunst der geheimen Kommunikation. Seit der Antike (man denke an die Caesar-Chiffre) bis zur modernen digitalen Verschlüsselung hat sich viel getan, aber das Prinzip ist ähnlich geblieben: Es braucht einen Schlüssel und eine Vorschrift (Algorithmus), um Daten zu verschlüsseln und wieder zu entschlüsseln.
Stelle Dir zum Verständnis ein einfaches Beispiel vor: Du möchtest eine Nachricht so verschlüsseln, dass niemand außer Deinem Freund sie lesen kann. Ihr vereinbart vorher einen geheimen Code, z.B. dass jeder Buchstabe durch den nächsten im Alphabet ersetzt wird. Dieses einfache Schema wäre der Algorithmus und das „eine Stelle weiter“ wäre der Schlüssel. Aus „HALLO“ würde so „IBMMP“. Dein Freund, der den Schlüssel kennt, kann das leicht wieder zurückwandeln, aber ein Fremder, der den Schlüssel nicht kennt, steht vor Kauderwelsch. Moderne Verfahren sind natürlich viel komplexer – aber folgen dem gleichen Grundprinzip: Schlüssel + Algorithmus = sichere Verschlüsselung.
Symmetrische vs. asymmetrische Verfahren
In der Kryptografie unterscheidet man zwei grundlegende Arten von Verschlüsselungsverfahren: symmetrische und asymmetrische Verfahren. Der Unterschied liegt vor allem im Umgang mit Schlüsseln:
Symmetrische Verschlüsselung: Hier wird ein und derselbe Schlüssel zum Ver- und Entschlüsseln verwendet. Sowohl Sender als auch Empfänger müssen also vorab dieses gemeinsame Geheimnis kennen. Das ist so, als hätten zwei Personen denselben Haustürschlüssel: Was der eine abschließt, kann der andere mit dem identischen Schlüssel wieder öffnen. Symmetrische Verfahren haben den Vorteil, sehr schnell zu sein und sich für große Datenmengen zu eignen. Der Nachteil: Der Schlüssel muss irgendwie sicher zwischen den Kommunikationspartnern ausgetauscht werden – und darf nicht in falsche Hände geraten. In kleinen, geschlossenen Gruppen ist das machbar, aber in großen offenen Netzen (z.B. dem Internet-E-Mail-Verkehr) wäre es extrem unpraktisch, jedem vorher persönlich einen Schlüssel zu übergeben. Ein Beispiel eines symmetrischen Verfahrens aus der Antike ist die Caesar-Verschiebung, in der jeder Buchstabe durch einen anderen ersetzt wird – natürlich war diese Methode aus heutiger Sicht sehr schwach, aber das Prinzip eines gemeinsamen Geheimnisses sieht man dort schon.
Asymmetrische Verschlüsselung: Diese Methode löst das Schlüsselverteilungsproblem durch ein Schlüsselpaar aus öffentlichem und privatem Schlüssel. Stell Dir dazu ein Tresor mit Schnappschloss vor: Jeder kann die Tür zuhauen und damit etwas einschließen – dafür braucht man keinen Schlüssel (das entspricht dem öffentlichen Schlüssel, den jeder kennen darf). Aber um den Tresor wieder zu öffnen, benötigt man den geheimen Schlüssel (der private Key, den nur der Empfänger besitzt). Genauso funktioniert asymmetrische Kryptografie: Du gibst allen Deinen öffentlichen Schlüssel; damit kann man Dir Nachrichten verschlüsselt schicken. Entschlüsseln kannst aber nur Du mit Deinem privaten Schlüssel. Aus einem der Schlüssel lässt sich der jeweils andere nicht mit vertretbarem Aufwand berechnen – deshalb ist es kein Problem, wenn der Public Key überall bekannt ist. Asymmetrische Verfahren basieren auf schweren mathematischen Problemen. Ein klassisches Beispiel: die Primfaktorzerlegung. Es ist einfach, zwei große Primzahlen zu multiplizieren, aber extrem schwierig, das Produkt ohne weitere Infos wieder in die ursprünglichen Primzahlen zu zerlegen. RSA, ein bekanntes asymmetrisches Verfahren, nutzt genau dieses Prinzip: Der öffentliche Schlüssel entspricht dem Produkt zweier großer Primzahlen, der private Schlüssel kennt die Faktoren und kann damit Entschlüsselung betreiben. Vorteile asymmetrischer Verfahren: Schlüsselexchange wird einfach (öffentliche Schlüssel können frei verteilt werden) und man braucht pro Person nur ein Schlüsselpaar, nicht unzählige geheime Schlüssel mit jeder Person separat. Allerdings sind asymmetrische Methoden rechenaufwändiger und daher langsamer. In der Praxis nutzt man daher häufig einen Mix aus beiden Welten – man spricht von hybriden Verfahren: Das langsame asymmetrische Verfahren wird nur benutzt, um einen Sitzungsschlüssel sicher auszutauschen, und die eigentliche Datenübertragung erfolgt dann schnell symmetrisch. So macht es z.B. HTTPS im Web: Dein Browser tauscht erst per asymmetrischem Verfahren einen geheimen AES-Schlüssel mit dem Server aus und verschlüsselt dann die eigentlichen Daten symmetrisch mit AES.
Moderne Verschlüsselungsalgorithmen: AES, RSA, ECC
Schauen wir uns einige der heute gängigsten Algorithmen etwas genauer an:
- AES (Advanced Encryption Standard): AES ist der Standard für symmetrische Verschlüsselung weltweit. Er wurde im Jahr 2001 vom US-Institut NIST als neuer Standard verabschiedet, nachdem der Vorgänger DES nicht mehr als sicher genug galt. AES basiert auf dem Algorithmus Rijndael, der in einem öffentlichen Wettbewerb als Sieger hervorging. AES arbeitet blockweise: Daten werden in Blöcken zu 128 Bit (16 Bytes) verarbeitet. Es gibt AES mit 128-Bit-, 192-Bit- oder 256-Bit-Schlüsseln – meist spricht man von AES-128 oder AES-256. Grob gesagt bedeutet eine längere Schlüssellänge ein höheres Maß an theoretischer Sicherheit (dazu später mehr). AES ist sehr weit verbreitet: Es steckt in VPNs, in WLAN-Verschlüsselung (WPA2/WPA3), in Festplattenverschlüsselung (z.B. BitLocker unter Windows) und vielen weiteren Anwendungen. Zudem ist AES als einziger öffentlich zugänglicher Algorithmus vom US-Geheimdienst NSA für staatliche Dokumente mit höchster Geheimhaltung (“Top Secret”) zugelassen – das zeigt, welches Vertrauen in AES gesetzt wird. AES gilt dank umfangreicher Prüfungen durch Experten als äußerst sicher; signifikante Schwächen wurden nur in reduzierten Varianten mit weniger Runden gefunden.
- RSA: RSA ist der bekannteste asymmetrische Algorithmus, benannt nach seinen Erfindern Rivest, Shamir und Adleman. RSA gibt es seit 1977 und es basiert – wie erwähnt – darauf, dass das Faktorisieren großer Zahlen schwer ist. Ein RSA-Schlüsselpaar besteht aus einem öffentlichen Modul (dem Produkt zweier großer Primzahlen, z.B. 2048 Bit lang) und einem privaten Exponenten, der auf den Primzahlen basiert. RSA wurde jahrzehntelang für sichere Webseiten (TLS), E-Mails (PGP/GnuPG) und digitale Signaturen verwendet. Die Sicherheit von RSA hängt von der Schlüssellänge ab – heute empfehlen Behörden wie das BSI mindestens 2000 bis 3000 Bit Schlüssellänge für neue RSA-Schlüssel, um ausreichend Sicherheit zu gewährleisten. RSA mit 1024 Bit gilt als unsicher (kann von staatlichen Akteuren inzwischen faktorsiert werden), 2048 Bit ist für viele Anwendungen noch okay, aber langfristig wird eher zu 3072 oder 4096 Bit geraten, gerade im Hinblick auf Quantencomputer-Zeithorizonte. RSA hat den Nachteil, vergleichsweise träge zu sein bei Schlüsselerzeugung und Entschlüsselung. Auch werden die Schlüssel sehr groß (mehrere hundert Bytes). Dennoch bleibt RSA ein Grundpfeiler der Kryptografie – zumindest bis Quantencomputer kommen, die RSA vermutlich brechen können.
- ECC (Elliptic Curve Cryptography): Dies ist eine neuere Form asymmetrischer Verfahren, die auf elliptischen Kurven basiert. ECC ermöglicht bei kleineren Schlüsseln die gleiche Sicherheit wie RSA mit sehr großen Schlüsseln. Zum Beispiel bietet ein 256-Bit-Schlüssel in einem elliptischen Kurvenverfahren (wie z.B. der Kurve secp256r1 oder Curve25519) ungefähr die Sicherheit eines 3072-Bit-RSA-Schlüssels – aber der ECC-Schlüssel besteht nur aus 256 Bit. Das macht ECC attraktiv für Anwendungen, wo Bandbreite oder Speicher knapp sind (IoT-Geräte, Mobilgeräte, etc.). Bekannte Anwendungen: ECDSA (elliptische Kurven Signaturalgorithmus) wird z.B. bei Bitcoin für Transaktionssignaturen genutzt, ECDH (elliptische Diffie-Hellman) wird für Schlüsselaustausch in vielen Protokollen verwendet, und auch der beliebte Messenger Signal setzt auf Curve25519 für seinen Schlüsselaustausch. ECC galt anfangs als etwas kontrovers, da einige der von NIST standardisierten Kurven (wie secp256r1 aka P-256) von der NSA mitentwickelt wurden – was zu Spekulationen führte, ob möglicherweise versteckte Schwächen (Backdoors) existieren. Bisher gibt es keine Belege für eine absichtliche Schwächung dieser Kurven; im Gegenteil, sie scheinen sicher. Trotzdem setzen manche Open-Source-Projekte (z.B. Signal, TLS 1.3 Standardgruppen) lieber auf Kurven, die von der akademischen Gemeinschaft entworfen wurden (Curve25519, Curve448), um jegliches Misstrauen zu vermeiden. Insgesamt ist ECC heute Stand der Technik bei asymmetrischer Verschlüsselung: effizient und sicher – allerdings teilt auch ECC das Schicksal von RSA, dass es von genügend starken Quantencomputern in Zukunft gebrochen werden könnte.
Soweit die Grundlagen: Du kennst nun die Unterscheidung symmetrisch/asymmetrisch und einige prominente Vertreter. Im nächsten Schritt wollen wir tiefer in die Sicherheitsfrage schauen, konkret am Beispiel AES-256, das oft als Maß der Dinge bezeichnet wird. Wie sicher ist AES-256 wirklich?
2. Wie sicher ist AES-256 wirklich?
AES-256 gilt als einer der stärksten allgemein verfügbaren Verschlüsselungsstandards. Wenn man „militärisch sicher“ hört, ist meist AES-256 gemeint. Doch was bedeutet das konkret? Schauen wir zunächst auf die theoretische Sicherheit und dann auf praktische Aspekte.
Theoretische Sicherheit von AES-256
Die Stärke eines symmetrischen Verfahrens hängt maßgeblich von der Schlüssellänge und der Robustheit des Algorithmus ab. AES-256 hat – wie der Name sagt – einen 256-Bit-Schlüssel. Das ist eine astronomisch große Zahl an möglichen Schlüsseln: $2^{256}$ verschiedene Kombinationen. Zum Vergleich: $2^{256}$ ist etwa eine 1 gefolgt von 77 Nullen – also 115 Quattuorvigintillionen Möglichkeiten (eine Zahl, für die es kaum noch Worte gibt). Ein Angreifer, der brute-force alle Schlüssel durchprobieren wollte, selbst mit Millionen Supercomputern, hätte keine Chance, auch nur einen nennenswerten Bruchteil in der Zeit des Universums zu testen. In der Kryptographie spricht man davon, dass AES-256 einen sehr großen Suchraum hat. Ein Brute-Force-Angriff (auch Exhaustive Key Search genannt) ist praktisch ausgeschlossen, solange nicht irgendeine fundamentale neue Physik ins Spiel kommt (z.B. Quantencomputer, dazu später mehr).
Wichtig ist: Nicht nur die Schlüssellänge macht’s, sondern auch der Algorithmus selbst darf keine Abkürzungen erlauben. Bei AES haben Kryptanalytiker in den vergangenen Jahren intensiv geforscht, ob es Angriffe gibt, die weniger Aufwand benötigen als $2^{256}$. Die gute Nachricht: Für AES-256 (und auch AES-128) sind keine praktikablen Angriffe bekannt, die besser wären als reines Raten. Es gab akademische Analysen, zum Beispiel sogenannte Related-Key-Angriffe, die unter konstruierten Bedingungen einen Vorteil bieten. Konkret wurde gezeigt, dass in einem Szenario, in dem ein Angreifer spezielle Zusammenhänge zwischen verschiedenen Schlüsseln herstellen kann (was im normalen Gebrauch von AES nicht vorkommt), AES-256 etwas schwächer sein könnte als AES-128. Doch diese Angriffe sind für die Praxis irrelevant, da man in echten Systemen nie erlaubt, dass ein Angreifer mehrere verwandte Schlüssel bekommt. Stand heute sagt auch das deutsche BSI klar: Abgesehen von exotischen Related-Key-Szenarien gibt es keine Attacke auf AES, die signifikant schneller wäre als Brute-Force. Anders ausgedrückt: AES-256 ist aus theoretischer Sicht extrem stark – es erfüllt alle Anforderungen, um selbst von gut ausgestatteten Angreifern (Staaten, Geheimdiensten) nicht durch reines Rechnen geknackt werden zu können.
Interessant am Rande: Der Begriff "militärisch sicher" rührt daher, dass AES-256 von Behörden wie der US-Regierung für die höchste Geheimhaltungsstufe zugelassen ist und auch von vielen Militärs verwendet wird. Marketing nutzt diesen Begriff gern, um zu sagen ??